Vom Glück des Miteinanders

Ulrike Schäfer (Solocellistin des Gürzenich-Orchesters und Coach im Bürgerorchester) im Gespräch mit Mareike Bruns (Viola) und Gerfried Heldt (Flöte).

Ulrike Schäfer:
Wie kam es denn zu eurem Entschluss, im Kölner Bürgerorchester mitzuspielen?

Mareike Bruns:
Ich habe über einen Bekannten von diesem Projekt gehört. Eigentlich war die Anmeldefrist schon abgelaufen, aber ich hatte Glück! Wahrscheinlich auch deswegen, weil es nun mal nicht so viele Bratschen gibt ...

Gerfried Heldt:
Immer, wenn ich am Künstlereingang der Philharmonie vorbeigegangen bin, habe ich zu meiner Frau gesagt: »Du, hier möchte ich auch einmal reingehen und auf dieser Bühne spielen!« Dann las ich das Angebot mit dem Bürgerorchester in der Tagespresse. Ich habe mich sofort beworben! Naja, und dann auch noch mit François-Xavier Roth ... ich habe ihn natürlich vorher schon live erlebt, wir sind Abonnenten beim Gürzenich-Orchester.

Ulrike Schäfer:
Habt ihr denn ein Probespiel machen müssen?

Mareike Bruns:
Nein, jeder darf kommen. Das ist ja auch Bestandteil dieses Projekts.

Ulrike Schäfer:
Was hattet ihr für Erwartungen?

Gerfried Heldt:
Dass wir wunderschöne Musik machen. Und dass man in Kooperation mit den Profis seine Spielfähigkeit erweitern kann.

Mareike Bruns:
Genau! Das holt ja für uns Laien nochmal was ganz anderes aus der Musik heraus. Das finde ich unglaublich bereichernd. Gleichzeitig finde ich es auch total spannend, die Profis auch mal im direkten Kontakt zu erleben, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Ulrike Schäfer:
Gab es da Berührungsängste?

Gerfried Heldt:
Ich hatte schon die Sorge, was wohl passiert, wenn man bei einem Profi mal was Falsches spielt ... kann ich mithalten? Bin ich gut genug?

Ulrike Schäfer:
Und dann?

Gerfried Heldt:
Es war schon in der ersten Probe mit Harry Ogg klar: Wir sind hier willkommen! Du darfst Fehler machen. Und dann erst François-Xavier: Er hat uns so gepusht! Das war für mich insgesamt ein Schlüsselerlebnis: Wenn Du etwas falsch machst, ist das nicht schlimm, sondern Du wirst ermutigt, es richtig zu machen. Danach lief es fast automatisch viel besser. 

Ulrike Schäfer:
Und wie war das mit den Coaches für euch? Ich meine, wenn Fehler gemacht wurden?

Mareike Bruns:
Ich sag mal sozusagen in Anführungsstrichen: »Fehler waren willkommen«. Man konnte gemeinsam daran arbeiten. Da waren dann Tipps dabei, auf die ich einfach alleine nie kommen würde, die es einem wirklich leichter gemacht haben. Es war eine total wohlwollende Atmosphäre. Das hat einfach von vornherein gepasst.

Ulrike Schäfer:
Ja, für uns ist dieses Projekt auch eine Freude!

Gerfried Heldt:
Wir Flöten haben mit Christiane Menke gearbeitet, das war wunderbar, sie ist eine tolle Flötistin und eine ganz ganz liebe Frau. Sie hat sich tierisch Mühe gegeben und sogar Noten umgeschrieben für die Leute, die das eben technisch noch nicht so auf die Reihe kriegten, damit es ein bisschen einfacher wurde. Fand ich genial!

Ulrike Schäfer:
Man muss realistische Lösungen finden, die Freude machen. Es geht hier nicht darum, eine CD vorzubereiten, sondern darum, gemeinsam etwas zu erleben.

Mareike Bruns:
Und zwischen den Teilnehmern ist es auch ins Rollen gekommen. Am Anfang kannte man sich ja noch nicht so, aber jetzt, gerade weil ja durch Corona zwischen dem Beginn des Projekts und unserem Konzert so viel Zeit vergangen ist, hat man sich so gefreut, sich wiederzusehen. Es hat einen irgendwie zusammengebracht. Ich fände es wunderbar, wenn das Bürgerorchester in die nächste Runde geht, wenn ich die Leute dann auch wiedersehen kann.

Gerfried Heldt:
Am Anfang war das natürlich auch ein gegenseitiges Abtasten. Man weiß nicht, was die anderen für ein Niveau haben, wo man selbst steht. Aber dann sieht man: Ah ja, der Ton vom Nachbarn ist auch nicht besser als deiner. Bei uns Bläsern ist das immer so eine Sache, vom Ansatz her.

Mareike Bruns:
Ja, unser Coach hat in der letzten Probe zu uns gesagt, wir hätten jetzt als Gruppe einen total schönen, gemeinsamen Bratschensound entwickelt. War auch mein Empfinden, aber ich fand‘s toll, dass er das ausdrücklich betont hat.

Ulrike Schäfer:
Ich kann das heute von den zwei Celloproben ebenfalls sagen: Das klingt richtig gut, es macht wirklich Spaß.

Mareike Bruns:
Die Registerproben mit den Coaches – ich finde das ein sehr gutes Konzept! Auch dann in den Tuttiproben, wenn nochmals ein Coach in der Nähe sitzt, den man dann etwas fragen kann. Super!

Ulrike Schäfer:
Gab es denn für euch auch instrumentale Grenzerfahrungen? Vielleicht bei dem Stück von Borodin?

Gerfried Heldt:
Ja, Borodin war die Grenze.

Mareike Bruns:
Ich fand, der ging fast noch. Vom Tempo her hatte ich Schwierigkeiten mit dem Elgar. Auch von der Rhythmik her, das war grenzwertig.

Gerfried Heldt:
Ich hab da wirklich zu Hause gesessen und Borodin mit dem Metronom geübt: noch einen Zacken mehr und noch einen und noch einen. Aber dann bin ich doch immer wieder rausgeflogen, das war echt heftig.

Ulrike Schäfer:
Habt ihr denn irgendwelche Wunschstücke, von denen ihr sagen würdet: »Oh, das würde ich gern mal spielen?«

Gerfried Heldt:
Ich kann Schwierigkeiten von Stücken ganz schlecht abschätzen. Persönlich würde ich unheimlich gern mal Dvořáks 9. Sinfonie spielen, aber ob ich das kann, weiß ich nicht.

Ulrike Schäfer:
Also, eine ganze Sinfonie dürfte grenzwertig sein. Ich denke außerdem, so ein Bürgerorchester-Programm sollte immer doch ein bisschen wie ein Blumenstrauß sein. Das wäre meine Herzenssache: dass es nicht nur ein Stück gibt, sondern dass das Programm bunt und abwechslungsreich ist. Wobei es durchaus auch einzelne Sätze von Sinfonien sein könnten.

Mareike Bruns:
Das Programm soll ja auch nicht zuletzt ein Publikum ansprechen. Nicht nur uns, die wir mitspielen, sondern auch diejenigen, die im Konzert sitzen und sich das anhören. Für mich war es richtig schön, dass dieses Mal Stücke dabei waren, die ich noch nicht kannte. Das Intermezzo von Nielsen beispielsweise. Das hätte ich sonst wahrscheinlich nie kennengelernt. Ich mag es, wenn einfach mal was Unbekanntes kommt.

Gerfried Heldt:
Mich würde tatsächlich mal interessieren, wessen Idee das Ganze eigentlich war.

Ulrike Schäfer:
François-Xavier Roths. Weil es für ihn einfach sehr wichtig ist, Kultur wirklich in der Stadt zu verankern und Kontakt zu den Menschen zu haben.

Gerfried Heldt:
Wie war das denn dann für euch Profis? Wirkte das für euch übergestülpt? Oder stieß es auf offene Ohren?

Ulrike Schäfer:
Ich denke, dass ein ganz großer Teil von uns offene Ohren hatte. Alle diejenigen, die sich für dieses Projekt engagieren, stehen auch voll dahinter, ganz klar.

Mareike Bruns:
Diesen Eindruck hat man auch! Wart ihr denn zufrieden mit uns Laien?

Ulrike Schäfer:
Ich habe ja nicht bei allen Gruppen zugehört und kann nur wiedergeben, was ich als Feedback bekomme. Und das war gut! Für mich persönlich war das Ganze sehr beglückend. Das muss ich einfach sagen. Es hat Spaß gemacht, es klang schön. Wirklich!

Gerfried Heldt:
Das ist gut und für mich auch ein Stück beruhigend. Wenn ich das Gefühl hätte, ja, die Profis kommen und machen das hier als Pflichtprogramm und denken in Wirklichkeit: Jut, wenn et bald vorbei is. Wenn du aber jetzt sagst: »Ne, es hat auch uns gefallen«, dann macht mir das auch nochmal mehr Freude. Auch die Begleitung durch Clara Friedrichs von »Ohrenauf!« war genial! Einfach unheimlich gut!

Ulrike Schäfer:
Weil sie auch von ihrer Persönlichkeit her so einen Draht zu den anderen hat. Da müssen wir ihr wirklich alle ein riesiges Kompliment machen.

Gerfried Heldt:
Sie ist so persönlich, so verbindlich. Einfach toll.

Mareike Bruns:
Das war nicht zuletzt auch einer der wichtigsten Faktoren, dass man sich hier so wohlgefühlt hat.

Ulrike Schäfer:
Positive Vibrations!

Gerfried Heldt:
Ich denke übrigens, dass Leute, die auch privat Musik machen, ein anderer Menschenschlag sind.

Mareike Bruns:
Solch ein Miteinander ist einfach eine unglaubliche Bereicherung!

Ulrike Schäfer:
Das verbreitet Licht, nicht wahr? Genau das ist doch wahnsinnig wichtig in der Welt, gerade zurzeit. Und schon allein deswegen freue ich mich schon auf die nächste Runde mit dem Bürgerorchester. Wir müssen auch unter widrigen Umständen präsent bleiben: für uns, für die Bürger, für die Stadt. Ich bin total gespannt auf die Fortsetzung!

scroll top