»Musik macht mich glücklich«

Von der großen Willenskraft, seinen Traum zu leben. Jee-Hye Bae, Stellvertretende Solo-Cellistin, im Gespräch.

Wann hast Du deine Liebe zur Musik entdeckt?

Ich habe mit neun Jahren angefangen Cello zu spielen. Meine Mutter ist ein großer Klassik-Fan, obwohl sie selbst nicht Musikerin ist. Ich bin die einzige Musikerin in unserer Familie! Meine Mutter hatte viele Schallplatten und CDs, und wir sind früher zusammen viel in Konzerte gegangen. Damals habe ich viel Klavier gehört, vor allem Bach, seine Goldberg-Variationen oder so etwas. Es war also sehr normal für mich und meinen Bruder, dass es bei uns klassische Musik gab. Meine Mutter wollte eigentlich, dass ich Klavier lerne. Sie hatte gehört, das sei gut für die Konzentration und für die motorische Entwicklung von Kindern. Damals fing dann allerdings meine beste Freundin mit Cello an, und ich war so fasziniert, vor allem von diesem Klang! Außerdem fand ich es sehr attraktiv, dass ich mein eigenes Instrument überallhin mitnehmen kann. Meine Mutter war zunächst nicht so begeistert, sie sagte mir, es würde sehr hart werden, wenn ich Cello so richtig gut spielen wollte. Auch ein Cello wollte sie mir ursprünglich nicht kaufen, aber ich bin dann zu meiner Oma gegangen, und die hat mich unterstützt, ich bekam also ein Cello und begann damit. Meine Mutter wollte immer, dass ich die Musik nur als Hobby mache. Sie fand diesen Weg so steinig und die Musikwelt an sich so klein, auch warnte sie mich immer, es sei so schwierig einen Job zu finden. Ich war aber so verliebt in mein Cello! Und natürlich dann in das Repertoire, vor allem in das deutsche mit Beethoven, Brahms, Schumann und so weiter ...

Damals wart Ihr noch in Südkorea, wo Du geboren und aufgewachsen bist. Wie ist es dort, wenn man ein Instrument spielen möchte?

Das Musik-System in Südkorea ist anders als das in Europa, viel kompetitiver, mehr am Wettbewerb orientiert. Schon in der Schule muss man ständig vorspielen, wird verglichen, und auch später im Orchester herrscht ein Leistungs-Ranking. In Deutschland hingegen gibt es schon für Kinder viele gute Lehrer und breitere instrumentale Ausbildungsmöglichkeiten. Also, ich habe das Cello-Studium bei meiner Mutter durchgekämpft, die einfach da sehr besorgt war. Keiner in unserer Familie ist ja Musiker, niemand konnte mir helfen oder mir Tipps geben! Allerdings fand meine Mutter dann bei uns in Seoul eine sehr gute Lehrerin für mich, die sich um mich wirklich gekümmert hat. Da war ich zehn, und ich besuchte dann ein Musikgymnasium, was ich übrigens viel interessanter fand als eine herkömmliche Schule.

Stimmt es, dass in Asien das Ausbildungssystem so anders ist? Gibt es den Drill, von dem in Europa geredet wird, wirklich?

Ja, das ist schon so. Ich selbst wollte stets die Beste sein, immer den 1. Preis bekommen. Deswegen musste ich viel üben. Hier in Europa ist das schon anders. Wenn ich meine europäischen Freunde frage, dann erfahre ich, dass es bei ihnen als Kinder viel spielerischer war ... Schon als ich klein war, habe ich jeden Tag drei, vier, fünf Stunden geübt, es gab keinen Urlaub. Aber das war für mich völlig normal, denn alle machen das in Südkorea so, das war nichts Außergewöhnliches. Allerdings nur während der Schulzeit! An der Hochschule nachher ist es dann oft das Gegenteil, man übt nicht mehr sehr viel, macht dafür Party ... diese lockerere Zeit habe ich dann zwar auch sehr genossen, aber ich habe mir nach ungefähr zwei Jahren dann doch überlegt, ob es nicht besser wäre, ins Ausland zu gehen, um dort weiter zu studieren, Dinge zu vertiefen.

Was genau wolltest Du vertiefen?

Ich wollte von Europäern lernen. Schon in Südkorea habe ich ein paar Meisterkurse mit europäischen Lehrern besucht, und das hat mich jedes Mal enorm inspiriert. Auch sah ich, dass bei den großen Wettbewerben immer diejenigen Cellisten die Preise holten, die in Deutschland studiert hatten. Das war also eine wirklich neue Welt für mich, vor allem auch stilistisch. Die koreanischen Cellisten haben eine tolle Fingertechnik, enorm schnell. Mich hat aber der Klang der europäischen Cellisten begeistert. In Südkorea herrschte damals der Trend, dass alle begabten jungen Musikerinnen und Musiker zum Studium in die USA gehen, ursprünglich wollte ich das auch. Nach einem Wettbewerb aber entschied ich mich dann, nach Deutschland zu kommen und bei Jean-Guihen Queyras in Freiburg zu studieren, dessen Studenten mich enorm beeindruckt hatten.

Wie sieht Deine Familie Dich jetzt?

Sie ist sehr glücklich, dass ich hier die Stelle habe. Meine Mutter ist natürlich auch sehr froh darüber, dass ich meinen Platz gefunden habe, dass es mir gut geht! Ein Konzert spielen, das macht mich einfach glücklich. Ich kann mir beim besten Willen keinen anderen Beruf vorstellen!

Bist Du denn noch öfter in Deiner Heimat?

Ich fliege ungefähr einmal im Jahr hin, in den Sommerferien. Bis jetzt habe ich aber kein starkes Heimweh. Hier in Köln, vorher in Freiburg und danach in Berlin, wo ich auch im Orchester gespielt habe, leben viele Koreaner. Unser Soloflötist im Gürzenich-Orchester zum Beispiel, Sunghyun Cho, ist ein Schulfreund von mir. Ich habe also gar keine Chance, Heimweh zu bekommen. Aber ich kommuniziere natürlich über Handy mit meiner Familie. Wenn ich hier bin, fühle ich mich freier als zu Hause. Ich lebe das Leben, das ich mir ausgesucht habe. Und ich mag meine Kollegen. Mit vielen bin ich wirklich gut befreundet. Nun bin ich ja auch schon beinahe zehn Jahre in Deutschland!

Du spielst oft am 1. Pult, also ganz vorne beim Dirigenten. Wie würdest Du diese Kommunikation beschreiben, die da stattfindet?

Ich fühle, was die Dirigentin oder der Dirigent machen möchte. Es geschieht tatsächlich nicht primär über das Sehen, sondern ich spüre es. Deswegen mag ich es sehr gerne, vorne zu spielen, das ist einfacher für mich. Ich spüre übrigens auch, wenn wir, also die Cellogruppe, etwas anders machen möchten. Natürlich kommen die entscheidenden Impulse vom Dirigenten, aber es gibt daneben auch viele Details, die wir selbst gestalten und bestimmen.

Gab es in den letzten Monaten Dirigenten, bei denen Du besonders das Gefühl hattest, dass es zwischen Dir und ihm oder ihr fließt?

Natürlich François-Xavier Roth! Und dann Duncan Ward, mit dem wir Hamlet von Brett Dean gespielt haben. Dieses Stück ist übrigens einfach der Hammer ... diese funkigen Rhythmen, ich mag das so gern! Außerdem gab es in dieser Oper für mich einige tolle Soli, zum Beispiel am Schluss, da ist eine so wunderschöne Melodie. Da hatte ich also richtig Glück, dass ich das spielen durfte!

Beim Cellospiel ist ja der ganze Körper beteiligt ...

Ja, genau! Aber wenn ich spiele, vibriert ja auch der Körper des Cellos!

Ist das anstrengend?

Eigentlich ja! Ich wollte immer ein besonders kleines Cello haben, aber das ist fast unmöglich. Das Cello, das ich jetzt spiele, habe ich vor zwei Jahren gekauft, und ich habe fünf Jahre lang danach gesucht! Als ich nach Deutschland kam, habe ich sofort mit der Suche begonnen. Es war Zufall, dass ich meines dann bei einem Geigenbauer gefunden habe. Ich liebe es wegen seines Klanges, aber von der Größe her ist es ebenfalls nicht ideal für mich. Das lange Sitzen, beispielsweise bei Opern, ist einfach sehr anstrengend.

Was machst Du als körperlichen Ausgleich?

Ich versuche, regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen, und zwar in die Kurse, die dort angeboten werden. Bodypump, Jumping, so etwas mit vielen Leuten und einem Trainer, der vorne schreit, das mag ich. Manchmal mache ich auch Spinning. Leider sind in meinem Fitnessstudio die meisten dieser Kurse dann, wenn ich Dienst habe. Aber einmal in der Woche klappt es meistens doch.

Gibt es außer der Musik noch anderes, was Dir Freude und Spaß macht?

Es sind eher ruhige Sachen, die ich mag. Ich habe schon viele Schals gestrickt! (lacht) Es liegt wahrscheinlich an meinem Wesen, aber ich bewege mich nicht so gerne draußen, sondern es sind eher die Dinge zu Hause, die mir liegen. Stricken oder lesen, also solche ruhigen Beschäftigungen, das gefällt mir.

Stricken hat ja auch etwas sehr Mathematisches ...

Ja. Und deswegen stricke ich nur Schals und keine komplizierten Sachen, denn ich will dabei nicht denken müssen. Auch wenn ich ein Handy-Spiel mache, dann muss es leicht sein.

Wie gehst Du mit dem Handy um?

Ich behaupte schon, dass ich süchtig bin. Ein Laptop habe ich nicht, wenn ich also etwas bestelle, mache ich es immer mit dem Handy, außerdem sehe ich mir viele koreanische Serien und Filme auf dem Handy an.

Gibt es irgendwelche Apps, die Du regelmäßig und gezielt benutzt?

Da ich eine sehr schlechte Orientierung habe, könnte ich ohne Google Maps im Großstadtdschungel nur schwer überleben. Manchmal teile ich auch gerne Informationen über ein gutes Restaurant, das ich entdeckt habe und mache dazu einen Post. Ansonsten gibt es eine koreanische Comic-App, die ich liebe. Naja, und dann natürlich youtube ...

Verordnest Du Dir dann manchmal einen handyfreien Tag?

Also, das habe ich bewusst nie probiert. Nein! Ein paar Mal habe ich mein Handy nach der Oper im Staatenhaus vergessen, musste also einen Tag ohne auskommen, das ging.

Die Musik ist ja das krasse Gegenbeispiel zum Handy, man ist ganz bewusst im Hier und Jetzt.

Ja! Bruckner zum Beispiel, man muss eine Stunde lang nur dasitzen und zuhören und ansonsten nichts machen. Für jüngere Leute kann das schon schwer sein, so ohne zu sprechen, ohne Bewegung.

Magst Du Bruckner?

Und wie! Bruckner ist etwas ganz Besonderes für mich. Als ich in der Staatskapelle Berlin war, habe ich dreimal auf Tourneen mit Daniel Barenboim einen ganzen Zyklus mit allen neun Bruckner-Sinfonien gespielt, jedes Mal über drei Wochen, erst durch Europa, dann in New York, in Japan. Vorher fand ich Bruckner immer ein wenig langweilig. Aber als ich die Sinfonien dann selbst im Orchester spielen durfte, war das wie ein Eintauchen in eine andere Welt. Diese Spannung, diese Harmonik. Brahms und Beethoven liebte ich schon vorher. Aber als ich nach Deutschland kam, war Bruckner eine Offenbarung.

Gibt es etwas, das Du unbedingt in der Zukunft spielen möchtest?

Ja, ich möchte alle Mahler-Sinfonien kennenlernen. Ein paar habe ich schon gespielt, aber eben nicht alle, da fehlen mir noch einige.

Machst Du auch Kammermusik?

Ja, sehr gern. Im Januar zum Beispiel spiele ich in der Reihe »Kammermusik in Köln«das Streichquintett von Schubert mit Kollegen aus dem Gürzenich-Orchester und aus dem WDR Sinfonieorchester. Und am 10. Februar mache ich beim Gürzenich-Kammerkonzert »Nacht-Akademie« mit Pierre-Laurent Aimard mit, das im Anschluss an das Abo-Konzert um 22.30 Uhr im Alten Wartesaal stattfindet. Außerdem spiele ich regelmäßig mit meinen Kollegen Cello-Quartett, das macht Spaß!

Wie bist Du ins Gürzenich-Orchester gekommen? Das ist doch eine besondere Geschichte ...

Oh ja! Ich spielte vorher drei Jahre in der Staatskapelle Berlin, davon ein Jahr als Stellvertretende Solo-Cellistin, habe aber dann das Probejahr nicht bestanden. Also bewarb ich mich beim Gürzenich-Orchester, bekam aber zunächst keine Antwort. Kurze Zeit später spielte ich zufällig bei einem Projekt als Aushilfe beim WDR Sinfonieorchester. Dort traf ich dann Daniel Raabe, der Cellist beim Gürzenich-Orchester ist und auch an diesem Projekt beteiligt war. Offensichtlich war meine Bewerbung nie angekommen. Daniel setzte sich für mich ein und sprach mit Bonian Tian, dem Solo-Cellisten, außerdem lud er mich ein, am gleichen Abend zu einer Probe mitzukommen. Eine Woche später war dann bereits das Cello-Probespiel, ich durfte mitmachen – tja, und ich habe es bestanden. Dafür bin ich sehr dankbar!

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