Das Gürzenich-Orchester Köln hat eine besondere Beziehung zu Johannes Brahms. Nicht nur hat das Orchester 1887 Brahms‘ Doppelkonzert uraufgeführt, der Komponist hat auch selbst in Köln dirigiert. Das kontinuierliche Bestreben, diese große »Tradition der Innovation« weiterzuentwickeln zeichnet das Orchester bis heute aus. Andrés Orozco-Estrada wird sich als neuer GürzenichKapellmeister und Generalmusikdirektor der Stadt Köln in den kommenden Spielzeiten intensiv mit Werken von Brahms beschäftigen. Sein Fokus liegt hierbei nicht nur in der Rückbesinnung auf die Tradition, sondern auch eine Auseinandersetzung mit neueren Strömungen. In seinem ersten Abonnementkonzert in dieser Position stellt er Béla Bartók Brahms gegenüber.
»Mich fasziniert die Idee, in scheinbaren Gegensätzen verborgene Gemeinsamkeiten aufzuspüren. Bei der Kombination von Brahms und Bartók etwa, deren musikalische Welten auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein könnten, wird die kompositorische Präzision zu einem verbindenden Element, das eine spannungsvolle und neue Hörerfahrung schafft.«, so Andrés Orozco-Estrada.
Obwohl sich Johannes Brahms und Béla Bartók nicht persönlich gekannt haben, scheint die Kenntnis der Werke von Brahms Bartók inspiriert zu haben. Beiden gemein ist das Interesse an der Volksmusik und einer stark strukturierten Kompositionsweise. Allerdings war Bartók in seiner Klangsprache deutlich radikaler und experimenteller. Bartóks Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta gilt als eines der häufigsten gespielten Orchesterwerke des 20. Jahrhunderts, insbesondere unter den modernen klassischen Werken. Vor allem die Verwendung des dritten Satzes (Adagio) als Filmmusik in Stanley Kubricks »The Shining« haben zusätzlich für Popularität gesorgt. Dieser Satz besticht durch eine besondere Dramatik, sowohl durch das Xylophon-Solo zu Beginn, das der Fibonacci-Reihe zu folgen scheint als auch durch den palindromischen Aufbau des Satzes.
Im Gegensatz zu diesem wissenschaftlichen Ansatz ist die 2. Sinfonie von Johannes Brahms vor allem durch heitere und lyrische Klänge geprägt. Vielleicht weil Brahms sie während seines Aufenthalts im Sommer 1877 in Pörtschach am Wörthersee komponierte. Anders als Bartók ist die Sinfonie für ein klassisch besetztes romantisches Orchester geschrieben und durch dichte motivische Arbeit und kluge Kontrapunktik gekennzeichnet. Bereits die Uraufführung 1877 in Wien mit den Wiener Philharmonikern war ein großer Erfolg und bis heute hat die Faszination für die optimistischste aller Brahms-Sinfonien nicht nachgelassen.